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Gaza-Arzt enthüllt: Israels Angriff auf Krankenhaus & Journalisten
Dr. Ahmed Alfarra, Direktor für Kinder- und Geburtsmedizin am Nasser-Krankenhaus in Khan Yunis, Gaza, berichtet Max Blumenthal von The Grayzone aus erster Hand von einem der schrecklichsten Momente des israelischen Angriffs auf seine Stadt, als Israel unverhohlen Journalisten von Reuters, AP und Al Jazeera massakrierte und auch das Rettungsteam bombardierte. Alfarra berichtet auch ausführlich über […]
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IAA Mobility 2025: Die Autoindustrie zwischen Niedergang und Konversion
Vom 9.-14. September blockiert die IAA große Teile von München und sorgt für enorme Licht- und Luftverschmutzung. Seit mehr als 100 Jahren wird die Messe vom jeweiligen Kanzler eröffnet. Viele Hersteller meiden inzwischen die Ausstellung, Citrëon, Fiat, GM, Peugeot, Tesla und Toyota verzichten auf einen Auftritt, der Glanz und der Hype sind vorbei, die Absätze sind rückläufig, die Partie is over. Dafür reisen mehr als 100 Aussteller aus China an. Was als „Schaufenster für die Zukunft von Verkehr, Technik und urbanem Leben“ gepriesen wird, ist tatsächlich nur die Verkaufsausstellung der Autohersteller, ein verzweifelter Versuch, das verschwundene Interesse der Menschen an dieser ungesunden Art der Fortbewegung wiederzuerwecken. In der City, im open space ohne Eintrittsgeld geht es um die große Show, in der vor allem Kinder mit dem Autovirus infiziert werden sollen. Dieser open space aber auch, „um Proteste von Autoskeptikern schon im Ansatz einzudämmen.“ (1) Auch Rheinmetall ist nicht auf der Messe, weil die ihren Automotive-Sparte zu Rüstungszwecken umbauen“, wie ein Branchendienst berichtet. (2) Die anderen Projekte, in denen Betriebe der Mobilitätsindustrie zu Rüstungsbetrieben werden sollen, wie das Alstom-Werk in Görlitz oder das VW-Werk in Osnabrück, gehören nicht zum PKW-Bereich oder sind noch in der Entwicklung und deshalb nicht bei der IAA vertreten.
Die Krise der europäischen Autoindustrie ist vielfach beschrieben: Technologisch weit zurück hinter China, falsche Modellpolitik, selbst geschaffene Überkapazitäten und keine strategische Industriepolitik seit vielen Jahren. Selbst in den USA ist der Absatz eingebrochen, Volkswagen hat die Produktion des ID 4 in Chattanooga gestoppt. Das Ansehen des Konzerns ist auch wegen seiner gewerkschaftsfeindlichen Haltung auf dem Nullpunkt. Die Unternehmen haben Milliarden in unsinnigen Projekten versenkt. Mercedes-Chef Ola Källenius warnte jüngst vor einem Kollaps des europäischen Automarkts, sollte das Verbot von Neuwagen mit Diesel- und Ottomotoren ab 2035 bestehen bleiben. Die Regierungen hatten mehrere hochkarätige Kommissionen eingesetzt, die allesamt an der Konkurrenz und den Egoismen der großen Konzerne gescheitert sind. Der Niedergang der Autoindustrie kommt einer Deindustrialisierung nahe, wenn mittelgroße Zulieferbetriebe in kleineren Städten die Produktion verlagern oder beenden. (3) „Jetzt werden die Weichen für das gestellt, was in fünf bis sieben Jahren passiert“, warnt der bayerische IG Metall-Bezirksleiter Horst Ott. „Große Zulieferer verlagern Produktion ins Ausland und hier laufen in absehbarer Zeit die Produktlinien der Werke leer.“ (4) Anders als früher wird auch die Forschung und Entwicklung verlagert. Wenn immer mehr verlagert wird, droht ein Dominoeffekt: Je weniger Industrie, desto unattraktiver wird das Land für die Menschen und desto mehr Verlagerung in andere Regionen. Dann wird ein Dilemma entstehen, das betriebsbedingte Kündigungen zur Folge haben wird, aber dadurch wiederum noch schlimmer wird.
Die Begründungen für die Verlagerungen ist immer die gleiche: Bürokratie, Energiepreise, Lohnkosten und so weiter. Aber wenn man es sich genau anschaut, stimmt es bei keinem einzigen Punkt. In den Autofabriken machen die Lohnkosten weniger als 10 Prozent aus - da sind die Löhne nicht das entscheidende Thema. Stattdessen sind es strategische Entscheidungen der Unternehmen zur Steigerung von Gewinnen, ist es das Streben nach maximalen Profiten – nur darum geht es. Wenn mit der Herstellung und dem Vertrieb von Elektronikteilen oder Autos in der Konkurrenz nur sechs Prozent Rendite erzielt werden, könnten auf den gleichen Anlagen vielleicht auch Granaten oder Panzerwagen ohne Konkurrenz gebaut werden mit einer Rendite von 50 Prozent oder mehr. Auch darüber muss im Zusammenhang mit dem Grundgesetz die Debatte geführt werden: Was bedeuten die Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes, was bedeuten das Allgemeinwohl und die Möglichkeit der Vergesellschaftung gegenüber der Gier nach maximalen Profiten.
„Es fehlen Leute mit Courage!“Was selbsternannte Autoexperten langatmig kompliziert erklären, klingt aus dem Mund des Kneipenwirtes, der selbst bei VW am Band gearbeitet hat, leicht nachvollziehbar: „Wenn es Volkswagen schlecht geht, geht es der Tunnelschänke auch schlecht. Es gibt immer weniger Schichten bei Volkswagen. Nachtschichten fast gar nicht mehr. Und jetzt sollen viele Arbeitsplätze wegfallen. Ich weiß nicht, wie es hier weitergehen soll. Die Politiker verkaufen uns für dumm. Dann kommen die Aktionäre. Da geht das ganze Geld hin. Die Volkswagen-Vorstände sind natürlich auch verantwortlich – aber die kommen und gehen. Jetzt gibt so eine Scheißegal-Haltung. Dabei müsste man sich aufbäumen. Aber es fehlen Leute mit Courage. (5)“ Die Profite sind im leichten Rückwärtsgang, was für die Börse und für die Aktionäre natürlich eine Katastrophe ist. Die Umsätze sinken und die Gewinne der deutschen Autoindustrie sind im ersten Halbjahr 2025 schmaler geworden. Die Großaktionäre, die eigentlichen Bestimmer in den Konzernen, zweifeln am Geschäftsmodell. Andererseits gibt‘s Gewinnrücklagen von über 300 Milliarden Euro bei Volkswagen (147 Mrd.), BMW (92 Mrd.) und Daimler (75 Mrd.), die wiederum gewinnbringend angelegt sein wollen. „Von einer echten Krise sind die deutschen Automobilhersteller noch weit entfernt“, sagt Frank Schwope, Lehrbeauftragter an der Fachhochschule des Mittelstands in Berlin. (6). Aber die Großaktionäre von VW und Mercedes haben entschieden und wollen ihr Kapital gewinnbringend in der Rüstungsindustrie anlegen.
Bei der Autoindustrie mit 750.000 Arbeiterinnen und Arbeitern in sogenannten Autoclustern (Stuttgart, Süd-Ost-Niedersachsen, Sachsen, München, Köln), geht es um einen Umbau und einen partiellen Ausstieg – weniger Autos, keine Verbrenner mehr, stattdessen Fahrzeuge für den öffentlichen Verkehr und andere, nützliche Produkte. Summarisch um eine Reduzierung von zunächst um die 50 Prozent an Produktion und Arbeit.
Solch eine industrielle Konversion ist nicht einzigartig, sondern hat in verschiedenen gesellschaftlichen Situationen in vielen Ländern stattgefunden: Vor Kriegen hin zur Rüstung, nach Kriegen wieder weg von der Rüstung. Ganze Industriezweige wie Textil, Uhren und Unterhaltungselektronik sind aus unserem Land verlagert worden. In schwach entwickelten Regionen wurde, staatlich gelenkt, eine neue industrielle Struktur geschaffen wie zum Beispiel in der Oberpfalz, im Bayerischen Wald, in Ostfriesland und Nordhessen. Das Opel-Werk in Bochum wurde als Kompensation für den Wegfall des Bergbaues im Ruhrgebiet errichtet.
Atom und Kohle – Blaupause für die Autoindustrie?Atomstrom wurde inklusive der Uranbeschaffung von 1970 bis 2023 mit 190 Milliarden Euro subventioniert, 17 AKW gebaut. Die Endlagerfrage ist weltweit ungeklärt. Es kamen der Fukushima-Schock 2011, der Atomausstieg und der Ausstieg aus dem Ausstieg. Der Rückbau kostet ca. 100 Mrd. Euro, ohne die Rückholung des Mülls aus dem maroden Bergwerk Asse. Die AKW-Betreiber, die Energieversorgungsunternehmen, zahlen 45 Mrd. Euro, die Restverantwortung liegt beim Staat, also bei den Steuerzahlern. Die Konzerne sind so frech und klagen wegen „entgangener Gewinne“: Die Bundesrepublik Deutschland zahlt 1,425 Mrd. Euro an Vattenfall, 880 Mio. Euro an RWE, 80 Mio. Euro an EnBW und 42,5 Mio. Euro an E.ON/PreussenElektra. „Diese Zahlungen dienen einerseits einem Ausgleich für Reststrommengen, welche die Unternehmen nicht mehr in konzerneigenen Anlagen erzeugen können (RWE und Vattenfall), andererseits dem Ausgleich für Investitionen, welche die Unternehmen im Vertrauen auf die 2010 in Kraft getretene Laufzeitverlängerung getätigt hatten, die dann aufgrund der Rücknahme der Laufzeitverlängerung nach den Ereignissen von Fukushima entwertet wurden.“
KohleausstiegSteinkohle ist 300 Millionen Jahre bzw. Braunkohle ist 50 Millionen Jahre alte Biomasse, die seit 200 Jahren, seit der Industrialisierung, in immer größerer Menge für Energiegewinnung verbrannt wird. Steinkohle wird in Deutschland aus wirtschaftlichen Gründen schon länger nicht mehr gefördert, sondern aus Polen, Südafrika und Australien importiert. Nach großen Protesten der Klimabewegung und aus Gründen von Umwelt-, Klima und Gesundheitsschutz wurde der Ausstieg aus der (Braun-)Kohlegewinnung und -verstromung politisch entschieden – in einer breit zusammengesetzten Kohlekommission. Es wurde der sogenannte Kohlekompromiss vereinbart: Ausstieg innerhalb von 20 Jahren bis 2038. Gleichzeitig wurden für die 20.000 Arbeiterinnen und Arbeiter, für die Regionen und Kommunen der drei Kohlereviere (Lausitz, Mitteldeutschland, Rheinland) 40 Milliarden Euro zur wirtschaftlichen Entwicklung, zur Renaturierung sowie mehr als vier Milliarden Euro zur „Entschädigung“ der Kraftwerksbetreiber eingeplant. Die Mittelverwendung ist undemokratisch, bürokratisch, spärlich und oft nicht zielgerichtet.
Umbau der Autoindustrie – Rüstungsproduktion ist keine OptionEs gibt Beispiele für erfolgreiche betrieblich-gewerkschaftliche Aktionen in der Transformation, denen die frühe Einbeziehung der Arbeiterinnen und Arbeiter gemeinsam ist. In den beiden Autozulieferbetrieben Boge in Simmern und Kessler in Aalen wurde die Produktion umgestellt von Autoteilen auf Teile der Bahn oder der Bahninfrastruktur. (7) Der zuständige Gewerkschaftssekretär im IG Metall-Bezirk Mitte spricht von einem „Friedensvertrag“ und ist zuversichtlich, dass die vereinbarten Punkte eingehalten werden. Damit ist auch ein Arbeitskampf vom Tisch, für den sich die IG Metall gerüstet hatte. Dieser hätte Produktionsunterbrechungen in anderen Automobilfirmen zur Folge gehabt. Das hätte zu einem Schaden von bis zu 30 Millionen Euro pro Produktionstag bei Kunden wie VW oder Audi geführt. (8) Solche Konversion ist unter spezifischen Bedingungen auch möglich in der von VW verstoßenen Tochter in Osnabrück, wenn die Gewerkschaft und der Betriebsrat das in betrieblichen Zukunftswerkstätten beziehungsweise Transformationsräten unter Einbeziehung aller guten Ideen der Arbeiterinnen und Arbeiter einschließlich der Ingenieure und des Standortmanagements vorantreiben.
Die Debatte um Rüstungsproduktion ist voll entbrannt. Milliarden – whatever it takes – sollen für Kriegsproduktion zur Verfügung stehen. Die politische Lösung von Konflikten und Diplomatie sind überhaupt kein Thema mehr. Die Lehren des zerstörten Europas, der bedingungslosen Kapitulation der faschistischen deutschen Wehrmacht und die Erfahrungen der Entspannungspolitik im kalten Krieg scheinen vergessen. Egon Bahr sagte: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Die Aktionäre von Rheinmetall, Thyssen-Krupp, Henslod, Diehl, Krauss-Maffei, Heckler & Koch sowie Airbus, aber auch die von VW, Mercedes, Conti und Bosch haben ein Interesse daran, die unbegrenzt frei verfügbaren Rüstungsmilliarden einzusacken. Der Porsche-Piëch-Clan kündigt Investitionen in die Rüstung an, interne Richtlinien bei Bosch wurden so angepasst, dass die Produkte auch für militärische Zwecke verkauft werden können. Das ist aus Sicht vieler Arbeiterinnen und Arbeiter eine Abkehr von den bisherigen Werten der Bosch-Stiftung. Dazu Kriegspropaganda an allen Ecken, im Fernsehen, an der Straßenbahn, vor den Werken der Autoindustrie: „Mach, was wirklich zählt – Jetzt Job fürs Volk wagen.“ Das undenkbare soll denkbar, der Krieg soll vorstellbar und führbar gemacht werden. Der Kontext, der bei einer vernünftigen Entscheidung nicht außer Acht gelassen werden kann: Die Rüstungsmilliarden sorgen für ein paar neue Jobs bzw. als magerer Ersatz für in der zivilen Produktion gestrichene oder verlagerte Jobs. Gleichzeitig fehlen diese Milliarden schon morgen in den nächsten Haushalten von Bund, Ländern und vor allem Kommunen, um die einfachsten sozialen Fragen zu lösen. Aller Erfahrung und Prognosen nach können die verlorenen Jobs in der Autoindustrie nicht annähernd durch Jobs in der Rüstungsindustrie kompensiert werden. Das trifft für das Alstom-Werk in Görlitz, das Conti-Werk in Gifhorn und für das VW-Werk in Osnabrück zu – mehr noch, wenn es um die Werke von VW in Zwickau und Emden, von Ford in Saarlouis und Köln gehen wird.
IG Metall sucht ihre PositionJürgen Kerner, der 2. Vorsitzende der IG Metall, nimmt am 1. September, am Antikriegstag, an einer hochkarätigen Rüstungskonferenz teil – zusammen mit Chefs von Rüstungsbetrieben, Rüstungsberatern, Rüstungsforschern und unter anderem Annette Lehnigk-Emden, der Chefin des Beschaffungsamtes der Bundeswehr. Frau Lehnigk-Emden ist die, die von den Kommunen mehr Unterstützung für die Rüstungsindustrie fordert: "Kommunen sind in der Pflicht, die bürokratischen Hindernisse für die Zeitenwende möglichst gering zu halten", sagte sie ausgerechnet in Osnabrück (NOZ, 16.8.2025). Kerner selbst äußerte sich auf dem letzten Gewerkschaftstag der IG Metall und wies nicht nur auf die Vertretung der Beschäftigten in der Rüstungsindustrie hin, sondern ging weit darüber hinaus: „Ich bin der festen Ansicht, dass wir diese Branche in Deutschland und Europa halten müssen.“ Später sagt er in einer gemeinsamen Erklärung mit dem SPD-Wirtschaftsforum und dem Verband der Rüstungsunternehmen: „2024 ist das Jahr der Entscheidung für die wehrtechnische Industrie in Deutschland. Zwar hebt die Politik ihre Bedeutung für die Sicherheit unseres Landes und Europas hervor. Aber anders als man denken könnte, führt das Sondervermögen Bundeswehr nicht automatisch zur Stärkung der heimischen Industrie.“ (9) Andere Akzente setzen Christiane Benner als Vorsitzende und Hans-Jürgen Urban als Vorstandsmitglieder der IG Metall: Christiane Benner schlägt vor, ein Sondervermögen in dreistelliger Milliardenhöhe aufzumachen für den ökologischen Umbau der Industrie und Urban sagt beim Aktionstag der IG Metall im März 2025: „Unsere Industrie der Zukunft muss ökologisch, sozial und demokratisch sein. … Die Transformation, die wir unterstützen, muss fair und solidarisch sein. Und schließlich: Was soll dieser Überbietungswettlauf bei den Rüstungsausgaben? Wer nur auf Waffen setzt, landet in der Sackgasse eines neuen Rüstungswettlaufs.“ (10)
Die deutschen Autobauer Volkswagen, Mercedes und BMW mit ihren Töchtern hatten zuletzt Gewinneinbrüche verkündet. Dennoch wurden Milliarden an die Aktionäre ausgeschüttet. Bei Volkswagen profitiert hauptsächlich der Porsche-Piëch-Clan, der knapp ein Drittel der Aktien hält, bei BMW fließt die Hälfte der ausgeschütteten 2,7 Milliarden Euro an Stefan Quandt und Susanne Klatten. Das Manager Magazin zitiert Christiane Benner: "Die Probleme einzelner Unternehmen sind unterschiedlich gelagert, aber die Situation für die Industrie und die Beschäftigten ist insgesamt schon prekär.“ Die Absatzzahlen von vor der Corona-Pandemie würden in der EU nicht erreicht. "In der Folge sind Werke nicht ausgelastet, und wir führen harte Auseinandersetzungen darüber, dass Beschäftigte nicht einseitig die Lasten tragen", so Benner. Es brauche Innovationen, aber auch industriepolitische Unterstützung aus Berlin und Brüssel. Zudem seien die Rahmenbedingungen für den elektrifizierten Autoverkehr noch nicht ausreichend. "Kaufanreize, Ladeinfrastruktur, Rohstoffversorgung, Recycling: Das sind die Themen für eine europäische automobile Industriepolitik.“ Die Gewerkschaftsvorsitzende sieht auch hausgemachte Probleme, für die „das Management die Verantwortung übernehmen sollte“. Aktionärinnen und Aktionäre sollten bei der Höhe der Dividenden Abstriche machen, da sie trotz geringeren Gewinnen hohe Dividenden erhalten. „Wir müssen da zusammen durch“, sagt Benner. (11) Diese Position, die Aktionäre sollten sich an der „Sanierung“ beteiligen, wurde schon bei der Auseinandersetzung bei VW Ende 2024 erhoben. Der VW-Chef Blume antwortet belehrend: „Als Investor überlege ich mir, wo mein Geld am besten angelegt ist. Wenn ich den Investoren jetzt erzähle, dass wir ihnen die Renditen kürzen, dann droht ein Vertrauensverlust, Investoren könnten sich zurückziehen. Das muss jeder wissen, der scharfe Einschnitte bei den Dividenden fordert. Wir brauchen gerade jetzt in dieser Phase eine Verbindlichkeit für Investoren, damit sie weiterhin zu uns stehen. (12)“ Zehn Prozent Umsatzrendite sollen es in den nächsten Jahren werden – so haben es die Großaktionäre und das Management entschieden.
Rüstung schafft keine Jobs!Rüstungsproduktion kann für Volkswagen bei seiner eigenen grausamen Entstehungsgeschichte niemals eine Option sein. Das sieht auch der Betriebsrat so: Ein Sprecher des Konzernbetriebsrats erklärt, dass ein Einstieg in die Produktion von Kriegswaffen oder Kampfmitteln aus Sicht der Arbeitnehmervertretung keine Option sei. … „Das hat nicht nur unternehmensstrategische und technologische Gründe, sondern nicht zuletzt auch ethische vor dem Hintergrund der Volkswagen-Unternehmensgeschichte.“ (WAZ, 19.8.2025)
Die Propagandaabteilung des Porsche-Piëch-Clans sieht das ganz anders: Der Kriegsverbrecher Ferdinand Porsche (SS-Oberführer, Vorsitzender der Panzerkommission) sei ein genialer Konstrukteur gewesen und der Reichtum des Clans hierin begründet. Tatsächlich wurde das Unternehmen von den Nazis mit gestohlenem Geld der Gewerkschaften, mit Produktion für die faschistische Wehrmacht und mit brutaler Zwangsarbeit aufgebaut. Treiber dabei neben Ferdinand Porsche sein Schwiegersohn und NSDAP-Mitglied Anton Piëch. Jetzt werden durch den Porsche-Piëch-Clan Autofabriken geschlossen und neue Geldanlagen in der Rüstungsindustrie gesucht: „Die Porsche SE investiert gezielt in Fernbusunternehmen, Drohnentechnik und Software für autonome Lkw …“ (13) Zurück zu den grausamen Wurzeln und wieder Geld machen mit dem Krieg? Der Porsche-Piëch-Clan und die Kopf-ab-Diktatur in Katar, die großen Aktionäre von Volkswagen – vom Land Niedersachsen abgesehen – haben ein Interesse daran, die Profite maximal zu steigern und die frei verfügbaren Rüstungsmilliarden einzusacken. Ihnen geht es weder um Demokratie noch um Menschenrechte.
Wie eine Vielzahl Studien zeigt, führen Investitionen in die Rüstung nicht zum Wirtschaftsaufschwung. Militärausgaben sind aus ökonomischer Sicht keine Investitionen zur Entwicklung der Wirtschaft, sondern „totes Kapital“. Der Multiplikator bei Rüstungsausgaben liegt bei rund 0,5 Prozent. Also ein Euro in Rüstung bedeutet 50 Cent Wachstum. Bei Infrastrukturinvestitionen beträgt der Multiplikator 1,5 und bei Bildung liegt er bei drei. Rüstung zieht Ressourcen aus produktiven Bereichen ab. Wir begeben uns so auf eine ganz schiefe Ebene, auf der es bald kein Halten mehr gibt. Aller Erfahrung und Prognosen nach können die verlorenen Jobs in der Autoindustrie nicht annähernd durch Jobs in der Rüstungsindustrie kompensiert werden. Das trifft auch für das Werk in Osnabrück zu. Vielleicht bleiben ein paar hundert Arbeitsplätze, wenn Rheinmetall einsteigt - aber sich nicht die 2.300 plus Zulieferer, die es heute sind. Andererseits: Der Markt für passende Fahrzeuge für Ridepooling wächst und der Bedarf ist riesig - aber das Geschäft machen dann Holon oder Baidu.
Die Ouvertüre zur Monstermesse in München: Der Sozialstaat ist schuldKurz vor Beginn der IAA drängt die Autoindustrie trotz aller Klimakatastrophen auf eine Abkehr vom sogenannten Verbrennerverbot und eine Abkehr von den CO2-Zielen. Für die Umstellung auf Elektromobilität fordern die Autokonzerne mehr Unterstützung von der Politik. "Wir brauchen ein klares Signal und gezielte staatliche Fördermaßnahmen, um die Skepsis privater Käuferinnen und Käufer abzubauen und die Nachfrage in dieser Gruppe anzukurbeln", sagt ein VW-Vorstand. Derzeit sind es vor allem gewerbliche Kunden, die E-Autos kaufen oder leasen. Vergleichbare Steuervergünstigungen sollen zulasten der Steuereinnahmen auch private Autokäufer erhalten.
Darüber hinaus will die Industrie Reformen „für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes“ – genau das, was Merz und Klingbeil mit dem „Herbst der Reformen“ jetzt umsetzen wollen: Sozialabbau und Arbeitszeitverlängerung. „Die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie sind mit ihren Produkten international wettbewerbsfähig, der Wirtschaftsstandort Deutschland ist es aktuell nicht. Entscheidend ist deshalb, dass Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität zur politischen Top-Priorität in Berlin und Brüssel werden. Dabei muss klar sein: Die Industrie braucht mehr als nur Symptombekämpfung, sie braucht zielgenaue Maßnahmen für die Behebung der Ursachen der mangelnden internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Standortes. Berlin und Brüssel müssen die unterschiedlichen Standortfaktoren — u.a. von Energiepreisen, Bürokratiebelastung, Regulierungsausmaß und Rohstoffversorgung — konkret in Angriff nehmen und so die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Gerade mit Blick auf die geopolitischen Entwicklungen ist ein wirtschaftlich starkes Europa von zentraler Bedeutung: Nur ein wirtschaftlich starkes Europa hat auf der politischen Weltbühne eine gewichtige Stimme, nur ein wirtschaftlich starkes Europa hat Einfluss auch auf die Gestaltung der Klimaziele und andere wichtige geopolitische Fragen." (14)
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Fußnoten
(2) https://www.automobil-industrie.vogel.de/iaa-mobility-2025-messe-muenchen
(3) Beispielhaft Bosch in Sebnitz: Im kleinen Städtchen Sebnitz in der Sächsischen Schweiz an der Grenze zu Tschechien lässt Bosch Werkzeuge (Power Tools) produzieren und ist der größte Arbeitgeber, allerdings seit Jahren schrumpfend. Die verbliebenen 280 Arbeitsplätze will der Konzern jetzt kündigen und den Betrieb nach Osteuropa verlagern. Die Folgen eines Rückzugs von Bosch aus der Region Ostsachsen sind fatal. Die AfD erhielt in Sebnitz bei der Bundestagswahl 54 Prozent der Zweitstimmen. Die Menschen sind nicht nur von der Arbeit erschöpft und von Angst geplagt, sondern verzweifeln an der Unerbittlichkeit der Konzerne und an der teilnahmslosen Zuschauerrolle, die die Regierungen auf Landes- und Bundesebene einnehmen. https://stephankrull.info/2025/08/19/die-organisierende-klassenpartei-und-die-sozial-oekologische-transformation/
(4) https://www.zeit.de/news/2025-08/15/ig-metall-in-zweiter-welle-droht-verlust-zehntausender-jobs
(5) Wolfsburger Allgemeine, 30./31.8.2025
(7) https://www.sozialismus.de/detail/artikel/panzer-statt-porsche-nein-sagen-genuegt-nicht/
(9) https://www.igmetall.de/presse/pressemitteilungen/verteidigungsindustrie-zukunftsfaehig-machen
(10) https://hans-juergen-urban.de/wp-content/uploads/2025/03/2025_03_15_Aktionstag_Rede_Urban_final.pdf
(12) Braunschweiger Zeitung, 22.1.2025
(13) Berliner Zeitung, 14.8.2025
Demonstrationen gegen Hochrüstung und Krieg am 3. Oktober 2025 in Berlin und Stuttgart
Prof. Jeffrey Sachs – Eine neue Außenpolitik für Europa
Dieser Podcast, der auf einem Artikel des hochrangigen UN-Beraters und weltbekannten Ökonomen Prof. Jeffrey Sachs basiert, beleuchtet die Außenpolitik Europas und argumentiert, dass sie in der Angst vor Russland und China gefangen ist und dadurch von den instabilen USA abhängig bleibt. Russlands Handlungen scheinen größtenteils defensiv zu sein, aber Europa interpretiert sie fälschlicherweise als imperialistisch […]
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Zum 60. Todestag von Albert Schweitzer: "Wort an die Menschen"
Erklärung des Kölner Friedensforums zum Antikriegstag und zur gemeinsamen Demonstration mit „Rheinmetall entwaffnen“
Kriegstüchtig: Der Kölner Kessel und die Berichterstattung
IMI-Reden zum Antikriegstag
Rückblick auf den ersten „Veteranentag“ – ein weiterer Schritt der mentalen Militarisierung
KRIEGE STOPPEN! GELD FÜR'S LEBEN, NICHT FÜR'S STERBEN! - VISIONEN FÜR EINE BESSERE WELT VERWIRKLICHEN!
Die Versöhnung mit Russland als Auftrag
Den Wahnsinn verlassen, auf Gewaltfreiheit setzen
Lebenshaus-Rundbrief 126 erschienen
Die neue Weltordnung und der Hauptwiderspruch im globalen Kapitalismus
Wir leben, sagen uns Politik und Medien, in einer Epoche sich überstürzender Zeitenwenden. Russland überfällt die Ukraine und stürzt die „europäische Nachkriegsordnung“ um und mit ihr die Nachwendeordnung nach der Implosion des realen Sozialismus. Die Nato sieht voraus, dass Russland spätestens Ende der Zwanziger Jahre in der Lage ist, Nato-Europa zu überrennen und legt eine Aufrüstung von 5% der jährlichen Wirtschaftsleistungen fest. Dabei ist die Nato heute schon die stärkste Militärmacht der Welt. 32 Nationen, eine Milliarde Menschen, 9.400 Kampfpanzer, 4.500 Kampfflugzeuge, 3,2 Millionen Personen Truppenstärke, 22.000 Artilleriegeschütze.
Dass die Führer der „westlichen Wertegemeinschaft“ entschlossen sind, ihre militärische Macht auch einzusetzen, haben sie gerade im Nahen Osten bewiesen: Israel bombardierte systematisch zivile Ziele im Iran, die USA ließen bunkerbrechende Raketen – über zehn Meter lang, Tiefenweite über hundert Meter – auf Atomanlagen herabregnen. Ein zunehmend geistesgestörter US-Präsident, ins Amt gedrückt von offen skrupellosen Tech-Monopolisten des Silicon Valley, feiert die Untat als Triumph der Zivilisation und sich selbst als größten Friedenspräsidenten aller Zeiten. Der deutsche Kanzler lobt die Israelis, sie würden „die Drecksarbeit für uns“ machen. Die politischen Eliten der „transatlantischen Gemeinschaft“ rücken die Welt näher an einen Großen Krieg, sie geben Israels Netanjahu nicht nur das Plazet zum systematischen Völkermord an den Palästinensern, sie haben in Europa keine andere Antwort auf die Aggression Russlands als die eigene Hochrüstung und „Kriegsertüchtigung“. In den Ländern des Westens bringen sich „Rackets“ an die Macht, Kapitalgruppen vor allem um High Tech, Rüstung, Energie, die, wie Max Horkheimer diese Klassenfraktionen nannte, als „Beutegemeinschaften“ den Staat und seine Bevölkerung ausnehmen, ohne Rücksicht auf aktuelle Lebensinteressen und Zukunft der Masse der Bevölkerung.
Über hundert Millionen Menschen sind bereits auf der Flucht vor Krieg und Elend. In den noch lebenswerten Regionen der Erde, längst geplagt von jahrelanger Rezession und wachsender sozialer Ungleichheit, fürchten sich noch mehr Millionen vor dem möglichen Zuzug der Fremden. Das Fremde wird zum Anathema in der politischen Diskussion, die eigene Nation und Racket-Herrschaft soll „great again“ werden und bleiben. Wohin treibt es diesen Welt-Kapitalismus? Auch und gerade für Marxisten eine Frage, die womöglich neue Antworten verlangt, jedenfalls neue Aspekte aufwirft.
Die marxistische Diskussion zur Überwindung des Kapitalismus kreiste immer um die Fragen: Wo ist der Hauptwiderspruch im kapitalistischen Widerspruchsfeld zu sehen? Und daraus ableitend: Welches ist die gesellschaftliche Hauptgegenkraft gegen die Kapitalherrschaft, wer ist der Hauptträger der revolutionären Bewegung?
I. Der Marxismus – immer auf der Suche nach dem HauptwiderspruchDie internationale kommunistische Arbeiterbewegung war sich zu Beginn darüber im Klaren und einig, wo der Hauptwiderspruch im Kapitalismus zu suchen sei. Das Kommunistische Manifest von Marx und Engels schließt 1847 mit dem Aufruf: Arbeiter aller Länder, vereinigt euch! Die Arbeiterklasse war der Gegenpol zum Kapital, das sich international organisierte, weshalb auch die Arbeiterklasse dieses internationale Niveau – „aller Länder, vereinigt euch““ – erreichen musste, um im realen Klassenkampf zur revolutionären Kraft zu werden. Die Dritte Internationale beschloss unter dem maßgeblichen Einfluss von Lenin und Trotzki die neue Formel: „Arbeiter aller Länder, unterdrückte Völker, vereinigt euch“. In den kolonialistisch ausgebeuteten Nationen hatten sich Befreiungsbewegungen gebildet, die von der Internationale als gleichberechtigte Elemente der internationalen Widerspruchsfront begrüßt wurden. Stalin änderte diese Schwerpunktsetzung der Internationale. Für den Stalinismus war der „Rote Oktober“ das entscheidende antikapitalistische Signal. Hier, im ersten sozialistischen Land, steckte für Stalin auch die entscheidende antikapitalistische Kraft. Ein erfolgreicher Sozialismus in der Sowjetunion würde die proletarischen Massen weltweit für den Sozialismus begeistern, den Ausbeutungsradius des Kapitalismus verkleinern. Die Unterstützung der SU gehörte ins Zentrum der internationalen Arbeiterbewegung. Noch 1961 formulierte die KPdSU das so in ihrem Programm.
Mit der Implosion des „realen Sozialismus“ erübrigte sich die Kontroverse der Kommunistischen Parteien Russlands und Chinas. Kurzfristig hofften die Kapitalisten auf ein „Ende der Geschichte“ (so Francis Fukuyama, der damalige offizielle Geschichtsphilosoph der US-Regierung), den ewigen Triumph des Kapitalismus, doch mit den von Lateinamerika ausgehenden Finanzkrisen der Neunziger Jahre und dann der globalen Finanzkrise Krise 2007 brach die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus mit Kriegen, Einkommensverlusten und Umweltzerstörung wieder heftig auf. In der Corona-Krise 2021 veröffentlichte die International Manifesto Group (IMG) ihr Manifest: „Durch Pluripolarität zum Sozialismus“. Das tödliche Versagen des kapitalistischen Gesundheitssystems hat nach Ansicht der vorwiegend nord- und südamerikanischen WissenschaftlerInnen um die indisch-kanadische Ökonomin Radhika Desai erneut die dringliche Notwendigkeit erwiesen, die Produktion der Essentials des Lebens aus den Händen des Kapitals zu nehmen und in die eines demokratisch organisierten Volks zu überführen. In dieser Frage werden die IMG-Vertreter unter Marxisten auf keinen Widerspruch stoßen. Aber führt der von Hugo Chavez für eine multipolare internationale Ordnung geprägte Begriff der Pluripolarität wirklich zum Sozialismus? Oder überhaupt zum Abbau der Dominanz des Imperialismus? Untersuchen wir die Kräfte, die heute die Hauptelemente der Pluripolarität darstellen. Sind sie Träger eines kämpferischen Widerspruchs zum globalen Kapitalismus? Oder wollen die Eliten vieler dieser Länder nicht eher selbständiger Teil eines globalen Ausbeutungssystems sein und funktionieren dort, wo sie an der Macht sind, auch so?
II. Die neue internationale Ordnung – BRICS hat den Westen überholtSeit den 1980er Jahren galt für die Länder des Globalen Südens der Washington Consensus, die strikte Ausrichtung der Ökonomien dieser Länder an den Interessen der Investoren aus dem Westen. Dem Chefvolkswirt der Investment Bank Goldman Sachs, Jim O`Neil, fiel auf, dass Schwellenländer umso schneller vorankamen, je weniger sie sich an die Vorgaben der kapitalistischen Kommandos aus Weltbank und Internationalem Währungsfonds hielten. Allen voran Brasilien, Russland, Indien und China. Nach Wachstumsraten verlief die Reihenfolge zwar genau umgekehrt, aber O`Neill wollte auf dieses Kürzel hinaus: BRIC. Denn Brick bedeutet im Englischen Baustein und der New Yorker Banker schien zu ahnen, dass auf diesen Backsteinen eine neue Weltordnung entsteht.
2006 gründeten die vier Länder BRIC, seit 2011 nennen sie sich mit dem neuen Mitglied Südafrika BRICS. Mittlerweile haben die BRICS 10 Mitglieder, 11 Partnerländer und über 30 weitere Länder haben ihr Interesse zu Protokoll gegeben. Auch die Türkei hat 2024 einen Aufnahmeantrag gestellt. Allein die 10 offiziellen Mitglieder stellen 48% der Weltbevölkerung und produzieren 40% des Welt-BIP. Die wirtschaftlichen Wachstumsdaten der BRICS liegen erheblich über denen des Westens. In seiner Video-Botschaft an das diesjährige Treffen der BRICS in Rio de Janeiro stellte Russlands Präsident Putin zu Recht fest, das Modell der neoliberalen Globalisierung werde gerade obsolet, der „Schwerpunkt der weltweiten Geschäftstätigkeit“ verlagere sich in die Schwellenländer.
III. Dominante Kraft bei BRICS ist ChinaDas stärkste Element von BRICS ist die Volksrepublik China. Mit 1,4 Milliarden Einwohnern ist sie neben Indien das bevölkerungsreichste Land der Erde, liegt aber mit ihrem kaufkraftbereinigten BIP fast um das Dreifache vor Indien und liegt in der BIP-Weltrangliste nach Kaufkraftparität noch vor der EU und den USA auf Platz 1. China ist längst nicht mehr bloß „die Werkbank der Welt“, sondern nimmt auch in wesentlichen Rohstoffen und moderner Technologie einen Spitzenplatz ein. Bei Seltenen Erden ist ebenso wie bei Lithium, für die Produktion modernster Informationstechnologie unentbehrlich, der Rest der Welt wie bei Kobalt und Mangan auf China angewiesen. An internationalen Patenten für moderne Technologie meldet China neben den USA die meisten an. Im 2. Quartal 2025 erzielte China ein Wirtschaftswachstum von 5,2 % und die Industrieproduktion wuchs um 6,8 %. Die Chinesen konnten den Zollangriff der Trump-USA bisher souverän abwehren.
Höchst bedeutsam ist der akademische Bereich, dem eine eigene Abteilung der in Peking angesiedelten BRICS-Verwaltung zugeordnet ist. Jährlich werden Zehntausende von Studenten und Wissenschaftlern zwischen den Staaten ausgetauscht. Hier entsteht ein Gegengewicht zur „internationalen Klasse“ des Westens. Es entwickeln sich Forscher und Spezialisten ohne den korrumpierenden Einfluss der internationalen Konzerne und sonstigen imperialistischen Agenturen.
Auch hier ist China die Drehscheibe, das mit seiner „Neuen Seidenstraße“ über ein international breit gefächertes Angebot zu internationaler Kooperation in Handel, Verkehr und Wissenschaft verfügt. 65 Länder arbeiten derzeit bei der Neuen Seidenstraße mit, die China auf dem Land- wie auf dem Seeweg handels- und verkehrsmäßig mit Europa verbindet. Die maritime und die landgestützte Seidenstraße betreffen heute mehr als 60% der Weltbevölkerung und 15% der Weltwirtschaft. Der Handel entlang der Seidenstraße umfasst knapp 40% des Welthandels, der Großteil davon entfällt auf den Seeweg. Dies liegt nicht zuletzt am Krieg Russlands gegen die Ukraine, der den Landweg unsicherer und teurer gemacht hat. Am Ende der Kontinentalbrücke China-Europa der Neuen Seidenstraße liegen die Duisburg-Ruhrorter Häfen mit dem Rhein als wichtigster Wasserstraße Europas. Deutschland ist für China und die BRICS eine Region von hoher Bedeutung.
Es ist die Rüstung, in der China dem globalen Widerpart USA erheblich hinterherhinkt. China bringt es auf jährliche Rüstungsausgaben von 374 Milliarden US-Dollar, ein Drittel der Billion die im Jahr von den USA eingesetzt werden. Diese Billion Dollar liegt um ein Drittel höher als die Summe der Rüstungsausgaben, die die BRICS-Länder China, Russland, Indien und Saudi-Arabien zusammen aufbringen. Ohne Russland, das über die stärkste Atommacht der Welt verfügt, wären die BRICS der kriegerischen und nuklearen Erpressung des USA-Westens weithin hilflos ausgesetzt. Der Im Ukraine-Krieg, den Kriegen Israels und Trumps Drohungen gegen Grönland und Panama sowie dem Nato-Aufrüstungsprogramm (5 Prozent des BIP für Rüstung) aufscheinenden Tendenz großer und mittlerer Mächte, die eigenen Interessen wieder kriegerisch durchzusetzen, will China mit verstärkter Aufrüstung der eigenen konventionellen und nuklearen Streitkräfte begegnen.
IV. BRICS ist keine einheitliche Kraft – von den Öl-Dynastien im Nahen Osten über das sozialistische Kuba bis zum Stalin-Verschnitt der Koreanischen VolksrepublikDie BRICS sind alles andere als ein ideologisch geschlossener Verband. Sie reichen von den extrem reichen Öl-Dynastien im Nahen Osten über das sozialistische Kuba bis zur Mullah-Herrschaft im Iran. Was sie eint, ist ihre Gegnerschaft zum globalen Diktat des westlichen Kapitals. Sie zählen auch, die Öl-Reichen arabischen Länder ausgenommen, geschlossen eher zu Fanons „Verdammten dieser Erde“. Nach dem von den UN entwickelten Index menschlicher Entwicklung, der persönliches Einkommen, Gesundheit, Lebenserwartung, Bildung misst, liegt Russland an Nr. 52 der Länderliste, Iran an 76, China an 79, Brasilien an 87, Ägypten an 97, Indonesien an 112 und Indien an 132. Die VAR, ebenfalls BRICS-Mitglied, figuriert an Nr. 26, mitten unter den kapitalistischen Ländern des Westens, wo sie nach dem Treiben des internationalen Finanzkapitals und nach der skrupellosen Ausbeutung des höchsten Ausländeranteils der Erde auch hingehörte. Doch der Staat der Emirate will ein Gegengewicht schaffen gegen das Diktat von Manhattan und London und sieht seine beste Chance in den BRICS.
Gleichzeitig sind sie, die VAR, „Dialogpartner“ bei der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), einem weiteren regionalen Staatenbündnis, das gegen das Diktat des kapitalistischen Westens in Stellung gegangen ist. Der SOZ gehören an China, Indien, Kasachstan, Kirgistan, Pakistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan. Sie kümmert sich um Handel, Energie und Transport, aber auch – im Zeitalter eines bellizistischen Imperialismus wieder eine entscheidende Frage – um die Gewährleistung und Unterstützung von Frieden und Sicherheit in einer Region, die 40% der Weltbevölkerung umfasst.
Neben der VAR sind u.a. „Dialogpartner“ der BRICS Türkei, Ägypten, Saudi-Arabien, Katar, Bahrain, Kuwait, Myanmar. Die wachsende Entschlossenheit der Entwicklungsländer, sich aus dem Griff des Westens zu befreien, zeigt sich auch in ASEAN, der Association of Southeast Asian Nations, die in Südostasien einen gemeinsamen Wirtschaftsraum nach dem Vorbild der EU schaffen wollen. Ihr gehören an Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Philippinen, Malaysia, Myanmar, Singapur, Thailand, Vietnam. Hier zeigen sich zwei Tendenzen. Das internationale Finanzkapital versucht, mit seinem Stützpunkt Singapur einen mächtigen Fuß in die Tür der globalen Neuordnung gerade am Schwerpunkt Pazifik zu bekommen. Und zweitens: Es geht nicht nur um Schutz vor dem West-Kapital, sondern auch, wie im Falle Vietnam, um Selbständigkeit gegenüber China. Je tiefer und vielfältiger die Verbindungen Vietnams zu den Nationen in der Region sind, umso weniger muss sich das Land eventuellen Vorschriften aus China beugen. In der Epoche des De-Coupling können Schwellenländer auch zu Konkurrenten um das Kapital aus dem Westen werden.
Trumps Zollkriegserklärung an 150 HandelspartnerDoch sind nicht nur internationale Handelsbündnisse von Bedeutung für Autonomie und Weltgeltung der Nationen, sondern auch zweiseitige staatliche Handelsabkommen. Die EU verfügt über solche Verträge mit 79 Ländern. Mit Mexico, Chile und den Mercosur-Ländern haben sie neue Verhandlungen begonnen. China, Singapur und Vietnam stehen bevor, mit Japan und Myanmar wird gerade verhandelt. China wickelt 35 % seines Außenhandels über binationale Freihandelsverträge ab, darunter auch mit westlichen Ländern wie Japan, Australien, Schweiz, Neuseeland.
Das wichtigste internationale Handelsland sind nach wie vor die USA. Sie importieren jährlich für 3,1 Billionen Euro die meisten Waren, sie exportieren Güter im Wert von über 2 Billionen Dollar und sind nach China der zweitgrößte Exporteur. Im April 2025 hat US-Präsident Trump die Handelswelt aus den Fugen gehoben, als er ankündigte, die bisher angeblich ungerechten Zölle zu 150 Handelspartnern neu festzulegen, um in Zukunft das die nationale Sicherheit angeblich bedrohende Handelsbilanzdefizit zu vermeiden.
Tatsächlich weisen die USA jährlich seit Jahrzehnten ein gewaltiges Defizit im Warenhandel. auf. Im Dienstleistungsbereich erzielen sie einen Überschuss, der aber mit 72 Milliarden Dollar nur ein Zwanzigstel des Warendefizits ausmacht. Der eigentliche Grund für das permanente Leistungsbilanzdefizit liegt in der Profitkalkulation der Industriekonzerne. Sie verlagern möglichst viele Teile ihrer Produktion ins billigere Ausland, die Schulden ans Ausland können sie mit Hilfe des globalen Dollarregimes wie Inlandsschulden behandeln. Das tut zwar den Konzernprofiten gut, ist aber sehr schlecht für die in der US-Industriegüterproduktion Beschäftigten. Der Anteil der US-Güterproduktion an der Weltgüterproduktion ist von 2001 bis 2023 von 28.4 % auf 17,4 % zurückgegangen. Von 1997 bis 2024 wurden fünf Millionen Arbeitsplätze in der Güterproduktion abgebaut. Für das profitgierige US-Kapital und seine Regierungen war das solange kein Problem, bis die Defizite von Handelsbilanz und Staat – mit 130 % des BIP ist der US-Staat der größte Schuldner der Erde – das internationale Kapital bewogen, sein Geldvermögen nicht mehr bedenkenlos in die USA zu transferieren. Unter den mit Strafzöllen zu belegenden Staaten sind alle G7-Partner der USA. Das Strafzolldiktat mag einzelne Länderbilanzen der USA verbessern, insgesamt schwächt es das West-Kapital.
V. Der Hauptwiderspruch unserer Epoche: Arm gegen ReichDas BIP pro Kopf misst das Bruttoinlandsprodukt eines Landes an seiner Bevölkerungszahl. Es ist mithin keine reale, sondern eine statistische Durchschnittsgröße. Tatsächlich liegen die realen Einkommen der Armen im Globalen Süden wegen der oft miserablen sozialen Kräfteverhältnisse meist noch weit unter diesen statistischen Größen. In der Liste der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen liegen Finanzoasen, wo das Finanzkapital wegen der minimalen Steuersätze seine Umsätze und Profite versteuert, weit vorne: 1. Luxemburg, 2. Macao, 3. Irland, 4. Singapur, 5. Katar, 6. VAE, 7. Schweiz, 8. San Marino. Ab Nr. 9 beginnt der reale, dort produzierte Reichtum, mit den USA. Unter den ersten 50 Ländern sind alle G7-Länder und weitere West-Metropolen wie Niederlande, Österreich, Schweden, Belgien, Australien, Finnland, Südkorea. Von den Ländern des Globalen Südens außerhalb oder am Rande von BRICS sind nur die Erdölländer Saudi-Arabien, Bahrain, Kuwait unter den ersten 50 der BIP-pro-Kopf-Liste vertreten. Sie können ihre auf ihrem Ressourcenreichtum an Öl und Gas basierende privilegierte Stellung nur halten oder ausbauen, wenn sie auf ein Gegengewicht gegen den Imperialismus des Westens setzen können. Das sehen sie in den BRICS.
Nun erhebt sich die Frage, wie kann ein Konstrukt wie BRICS oder ähnliche Allianzen des Globalen Südens mit höchst unterschiedliche Gesellschaftsregeln der einzelnen Länder die entscheidende Gegenkraft zur globalen Dominanz des West-Kapitals sein. Wir haben die Koreanische Volksrepublik mit einer autoritären Einparteienherrschaft, die noch von Che Guevara als Vorbild für den Globalen Süden angesehen wurde. Wir haben Indien mit der regierenden rassistischen Bharatiya-Janata Partei des Präsidenten Modi. Wir haben an erster Stelle die Volksrepublik China, deren KP als Partei des Volkes firmiert, in der auch die Gruppe der privaten UnternehmerInnen ihren Platz hat. Wir haben das von kapitalistischen Beutegruppen übernommene Russland, das gegen die Ukraine einen Krieg startete, um der von der Nato anvisierten Umzingelung zu entgehen, und nach innen das Gegenteil von sozialistischer Demokratie praktiziert. In den meisten Ländern des Südens erleben wir tiefe demokratische Defizite und extreme soziale Ungleichheit. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass diese Länder wie alle anderen auch fortschrittlichen sozialen Wandel am ehesten durchsetzen können, wenn internationales Kapital daran gehindert ist, sich einzumischen, wann und wo immer es geht. Solange die westlichen Länder ihr „Right to Protect“ praktizieren können, werden sie stets eingreifen, wenn sie ihre Interessen bedroht sehen. Unter dem Vorwand, die Demokratie vor Ort retten zu müssen, haben sie Jugoslawien zerstückelt, Bosnien-Herzegowina weitgehend zerstört, Afghanistan ruiniert, den Irak bombardiert, Libyen eine Epoche zurückgebombt, im Iran macht jetzt Israel „die Drecksarbeit“, wie der deutsche Kanzler anerkennend feststellte. Solange diese Interventionen stattfinden, werden sich demokratische Wechsel, marxistische gar, im Globalen Süden nicht durchführen lassen. Die Änderung der internationalen Ordnung in eine mehrpolige und damit die Chance, die Sonderprofite des West-Kapitals herunterzufahren, ist erste Voraussetzung für eine eigenständige, an den Bedürfnissen des eigenen Volkes orientierte Entwicklung im Globalen Süden.
Übrigens nicht nur dort. Lin Piaos Feststellung aus den 1960er Jahren, der Klassenkampf sei in den Westlichen Industrieländern „vorübergehend“ zum Stillstand gekommen, ist heute gültiger denn je. Waren es damals, im Golden Age des Kapitalismus, vor allem die Zugeständnisse bei Löhnen und Sozialleistungen, die die Arbeiterklasse an der Seite des Kapitals hielten, so treibt sie heute der Unmut über wachsende Armut und Sozialabbau immer weiter nach rechts. Angesichts von über 120 Millionen Flüchtlingen vor Kriegen und Hunger, von denen viele Millionen zu den vermeintlichen Fleischtöpfen des Westens fliehen, verfängt die rechte Propaganda, das Hauptübel in den „Fremden“ zu sehen, von denen nur noch die „Qualifizierten“, die zu den Versorgungs-, Beschäftigungs- und Ausbildungsnöten der West-Länder passen, in diese hereingelassen werden sollen. Die Fremden greifen die geringer werdenden Sozialmittel ab, die Fremden belegen Sozialwohnungen; die Fremden unterbieten mit ihrer Schwarzarbeit bescheidenste Lohnforderungen, die Fremden werden auf den Arbeitsmärkten zu ernsten Konkurrenten – so die rechte Propaganda. In Deutschland ist jeder Fünfte von Armut bedroht, die neu dazu gekommenen Armen sind für sie selbstverständlich ein Problem. Die richtige Lösung wäre: Weg mit den gewaltigen Einkommens- und Vermögensunterschieden in Deutschland; Nein zu Hochrüstung, Ausbau des Sozialstaates inklusive zügiger Ausbau des sozialen Wohnens; konkrete Hilfe gegen globale Armut und Unterentwicklung, sodass es keine Flüchtlinge wegen Hunger und Not mehr geben muss. Das Problem der Armut in Deutschland und anderer West-Länder sind nicht die Fremden, sondern die Reichen im eigenen Land. 0,1 % der Bevölkerung besitzen über 22 % des Gesamtvermögens, während über 27 % überhaupt kein Vermögen bzw. mehr Schulden als Eigenmittel haben. Der von Trump angestachelte Fremdenhass ist Lebenselixier für Multimillionäre wie Trump. Auch das Denken von Friedrich Merz ist hier zuhause. Er war jahrelang Chef der deutschen Abteilung des Wallstreet-Finanzkonzerns Blackrock, dessen bevorzugte Kunden Mitglieder der globalen Plutokratie sind. Die politische Kaste des Westens, die als „Kraft der Mitte“ firmiert, gehört zum eisernen Bestand des modernen Imperialismus, genauso wie die Rechtsparteien, die mit der Ideologie des Fremdenhasses eine neue Rechtfertigung für Privilegien des nationalen Kapitals verbreiten. Das globale Kapital stößt in den West-Staaten auf wenig soziale Gegenkraft. Die rasant wachsende soziale Ungleichheit wird politisch durch die rechte Propaganda aus dem Klassenkampf herausgenommen. Die Linkspartei kann, seitdem sie dies offensiv aufgreift, an Zustimmung gewinnen. Dies wäre der Weg, um auch die Westländer in den Raum des Hauptwiderspruchs im internationalen Klassenkampf zurückzuführen.
Recht siegt gegen Rechtsruck - Bundesregierung muss menschenrechtliche Aufnahmen von gefährdeten Afghan:innen fortsetzen
Ukraine: Die Geschichte, die Sie nicht hören sollen — Scott Horton
In dieser Folge von Die Quelle spricht unser leitender Redakteur Zain Raza mit Scott Horton, Direktor des Libertarian Institute und Autor, über den Hintergrund und Kontext des Ukraine-Krieges. Das Interview befasst sich eingehend mit der Behauptung des Westens, dass der russische Präsident Wladimir Putin die Wiederherstellung eines Imperiums nach sowjetischem Vorbild anstrebt, und untersucht, ob […]
Der Beitrag Ukraine: Die Geschichte, die Sie nicht hören sollen — Scott Horton erschien zuerst auf acTVism.
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